Beeplog.de - Kostenlose Blogs Hier kostenloses Blog erstellen    Nächstes Blog   

Die neoliberale Katastrophe

Gedanken über den Raubtierkapitalismus, die Hörigkeit der Politik und die Rolle der Medien



Du befindest dich in der Kategorie: Allgemeines

Donnerstag, 03. August 2006

Offener Brief an Klaus Brandner (SPD) und Ralf Brauksiepe (CDU)

Von verhartzt, 16:17

Sehr geehrter Herr Brandner,
sehr geehrter Herr Brauksiepe,

es ist nicht länger erträglich, mitverfolgen zu müssen, wie Sie die zunehmende Schieflage und Ungleichhheit in diesem Land auf Kosten der Armen und Ärmsten weiter zu verschärfen versuchen. Ihre jüngsten Äußerungen bezüglich der Millionen unfreiwillig arbeitslos gewordenen Menschen, deren Stellenabbau wir täglich in den ansonsten willfährigen, devot-neoliberalen Medien mitverfolgen können, setzen dem ohnehin schon längst menschenunwürdigen Dasein eines Großteils der Bevölkerung wahrlich die Krone auf.

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die überwältigende Mehrheit der erwerbslosen Menschen in diesem Land, deren Wohl Sie zu vertreten haben, nicht "faul" oder "unwillig zur Arbeit" ist, sondern schlicht und ergreifend aufgrund Ihrer politischen Unterstützung der neoliberalen Ideologie und der perfiden Haltung der Wirtschaft keine Arbeitsstellen mehr finden kann.

Ich fordere Sie auf, Ihre erbärmlichen Worte, es könne nicht sein, dass die (längst nicht mehr existente) Solidargemeinschaft "solch ein Verhalten noch weiter bezahlt", angesichts der von der Wirtschaft "freigesetzten" Menschen von AEG/Electrolux, Telekom, Allianz, Siemens und unzähliger weiterer Konzerne zu wiederholen. All diese Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren und in der Vergangenheit verloren haben, die keineswegs in der Mehrzahl "gering qualifiziert" sind und die dank Ihrer Politik gezielt und gewollt bis aufs letzte Hemd verarmt werden, würden nur zu gern eine neue Arbeitsstelle antreten, die es ihnen ermöglicht, die Auswirkungen der aktuellen "Sozialpolitik", die nunmehr nur noch Sozialzynismus ist, zu vermeiden. Allein: Es gibt diese erforderlichen Arbeitsstellen nicht!

Doch was fällt Ihnen dazu ein: Eine weitere Verschärfung der Kriterien, die auch heute schon nicht zu mehr Beschäftigung, sondern allenfalls zu mehr Armut, Entsolidarisierung, Hoffnungslosigkeit und Obdachlosigkeit führen. Das ist eine wahrlich konstruktive, soziale und vor allem intelligente Politik!

Wie kommen Sie dazu, angesichts eines immer reicher werdenden Landes, einer stetig gesteigerten Produktivität, einer durch den Export glänzend dastehenden Wirtschaft, die dennoch - trotz stetig sinkender Steuerabgaben und steigender Gewinne - immer mehr Arbeitsplätze abbaut, die Verlierer dieses Prozesses an den Pranger zu stellen? Was erdreisten Sie sich, solchen Menschen, die in der Regel wesentlich mehr in die Staatskasse eingezahlt haben als Sie selber, nun mit solchen populistischen Forderungen zu begegnen, während Sie selber durch erhebliche Zahlungen des Staates an Sie ein recht angenehmes Leben führen können, während Sie doch nicht die Interessen des Volkes, sondern einzig die der Wirtschaft und der Reichen vertreten?

Hier ist endgültig ein Punkt erreicht, an dem Sie den Bogen überspannt haben. Sie mögen sich selbst "Arbeitsmarktexperten" nennen, haben aber nicht im Ansatz verstanden (oder es bewusst verschleiert), worum es jetzt gehen muss. Wir brauchen keine weitere "Verschärfung" der Gesetze, um "Arbeitsunwillige", für die es keine Arbeit gibt, zu motivieren. Motivationen, um dem erbärmlichen Arbeitslosengeld II zu entkommen, gibt es reichlich. Stattdessen brauchen wir Gesetze, die Unternehmen motivieren, Arbeitsplätze zu schaffen, statt sie abzubauen. Wissenschaftliche Ansätze dafür gibt es genug - das wissen Sie als "Experten" sicherlich. Ihre Partei - die SPDCDU - ist zwar (vermutlich aus sehr eigennützigen, aber dennoch kurzsichtigen Gründen) der neoliberalen Glaubenslehre verfallen, aber jenseits dieser Ideologie, die bislang nichts weiter als Unheil für die Menschen und Vorteile für die wenigen Reichen gebracht hat, gibt es vielfältige Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle, die der Allgemeinheit und nicht einer kleinen priviligierten Gruppe dienen.

Sie dürfen mit massivem Widerstand rechnen, wenn Sie sich weiterhin dem demokratischen Wählerwillen widersetzen, der der perfiden "Agenda 2010" und dem neoliberalen Kurs der Schröder-Regierung eine klare Absage erteilt hat. Es ist schlicht undemokratisch, dass Sie diese asoziale Politik nun fortsetzen und immer weiter ausbauen. Von der CDU war ja nichts anderes zu erwarten, aber dass die SPD sich auch weiterhin für die Machterhaltung derartig prostituiert, ist seit Jahren nicht mehr nachvollziehbar. Als ehemaliger Genosse kann ich nur feststellen: Machen Sie nur so weiter - dann wird in Kürze auch dem letzten verblendeten Fußball-Fan klar werden, dass SPD und CDU das scheindemokratische Spiel der USA mit den beiden angeblich unterschiedlichen Parteien kopieren wollen, um einen zumindest oberflächlichen Anstrich der Demokratie zu verbreiten.

Es ist sehr leichtsinnig, dass Sie sich darauf verlassen, dass die deutsche Bevölkerung ebenso dumm und willfährig ist wie die amerikanische - auch wenn der "Spiegel" und viele andere Mainstream-Medien, die längst keine Kontrollfunktion mehr ausüben, Ihre perfiden Pläne zum neoliberalen Umbau des Staates und der Weltordnung unterstützen.

Hören Sie endlich auf damit, die völlig sinnlos an die Wirtschaft verschenkten, nun im Haushalt fehlenden Milliarden von der Bevölkerung und insbeondere den Armen zurückfordern zu wollen. Sie wissen ebenso wie die angeblich so dumme Bevölkerung, dass eine Wirtschaft, die "Exportweltmeister" ist, kein "Wettbewerbsproblem" haben kann! Auch wissen Sie, dass laut Aussage von Herrn Steinbrück lediglich die Slowakei in der EU noch niedrigere Steuersätze für Unternehmen bietet als Deutschland. Mit welchem Recht werden die Unternehmen nun wieder durch die Unternehmessteuerreform so reichhaltig beschenkt, während Sie darüber nachdenken, die Sozialleistungen für die Menschen, die von eben diesen Unternehmen schamlos auf die Straße gesetzt werden, weiter zu kürzen?

Sie sollten sich der Tragweite Ihrer Forderungen bewusst werden und zur Kenntnis nehmen, dass Millionen von Menschen in unserem Land nicht länger bereit sind, Ihre perfiden Strategien der Diskriminierung und Manipulation kritiklos hinzunehmen.

Es reicht!

Mit nur noch unter äußerster Willensanstrengung freundlichen Grüßen.